Wie können Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Prägung zusammenleben? Tagung zeigt effektive Stadtteilarbeit, um die Generationen auf verschiedenen Ebenen zusammenzubringen.
Begegnung zwischen Generationen in der Stadtgesellschaft dort gestalten, wo die Menschen leben: Mit den Themen Stadtteilarbeit und intergenerationelles Lernen haben sich Gäste aus ganz Bayern bei der Fachtagung „Generationen im Dialog“ beschäftigt. Organisiert wurde die Tagung von Prof. Dr. Theresia Wintergerst (Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, THWS) zusammen mit der Seniorenvertretung Würzburg und der Akademie Frankenwarte.
Das Quartiersmanagement hat eine besondere Bedeutung für die Begegnung der Generationen, wie Dr. Hülya Düber, Sozialreferentin der Stadt Würzburg, bei ihrer Begrüßung unterstrich. Der Altersforscher Prof. Andreas Kruse betonte in seinem Eröffnungsvortrag die Bedeutung der Generativität für ältere Menschen: Generativität bedeute, nicht nur Verantwortung für die eigenen Belange zu übernehmen, sondern sich auch um die Interessen für die kommenden Generationen zu kümmern. Von einem Engagement Älterer für andere profitierten auch diese selbst. Dies zeigten wissenschaftliche Untersuchungen. Er stellte u. a. ein ehrenamtliches Projekt zur gesellschaftlichen Teilhabe von Geflüchteten vor. Im Rahmen eines Mentoringprogramms wurden Menschen mit Fluchterfahrung aus der Nachkriegszeit mit Geflüchteten von heute zusammengebracht. Es wurden sogenannte „Zwillinge“ gebildet, über die Erfahrungswissen zu beiderseitigem Nutzen ausgetauscht wurde.
Möglichkeiten intergenerationellen Lernens
Die Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Julia Franz erforscht systematisch die Möglichkeiten des intergenerationellen Lernens und wie man es organisieren kann. Sie betonte, dass es dafür generationensensible Fachkräfte brauche. Denn es reiche nicht, Menschen unterschiedlicher Generationen in einen Raum zu bringen und einen konstruktiven Austausch auf Augenhöhe zu erwarten. Fachkräfte müssten feinfühlig Begegnungen arrangieren, in denen keine Generation die andere dominiere und in der die Scheu vor dem Kontakt überwunden werden könne. Dabei müsse man davon ausgehen, dass die Begegnung der Generationen häufig mit widersprüchlichen Gefühlen verbunden sei.
Auch wenn besonders bei den Älteren grundsätzlich Interesse an den Jüngeren bestehe, müsse mit unterschiedlichen Aufmerksamkeitsspannen und Zugangsweisen zu Themen gerechnet werden. Gerade Jugendliche möchten sich besonders oft in die eigene Clique zurückziehen. Prof. Franz ordnete verschiedene Angebote der Erwachsenenbildung wie gemeinsames Kochen oder Medienvermittlungsangebote in die breite Palette der Möglichkeiten der Generationenarbeit ein.
Hans Jürgen Hayer vertiefte in einem Workshop die verschiedenen Möglichkeiten des intergenerationellen Lernens und lud zu einem Erfahrungsaustausch ein. Monika Kraft vom Fachbereich Jugend und Familie erläuterte bestehende Begegnungsmöglichkeiten der Generationen in Würzburg und veranschaulichte die bereichernde Erfahrung der Begegnung der Generationen. Damit diese möglich werde, müssten die verschiedenen Institutionen wie Schulen, Kindertagesstätten, Senioreneinrichtungen oder Bibliotheken zusammenarbeiten, um Begegnungsformate für verschiedene Generationen zu entwickeln.
Workshop zu Konflikten und Störungen im öffentlichen Raum
Im Workshop „Konflikte und Störungen im öffentlichen Raum – Miteinander Lösungen entwickeln“ sensibilisierte Jenifer Gabel vom Projekt „Miteinander leben und feiern – Allparteiliches Konfliktmanagement“ für einen konstruktiven Umgang mit Störungen im öffentlichen Raum. Viele junge Leute seien durchaus ansprechbar auf Störungen, die sich durch Feiern im öffentlichen Raum ergeben. Es müssten für Jugendliche, die nicht volljährig sind, Räume in der Stadt bereitgestellt werden, in denen diese sich treffen könnten. Verbote seien nur das letzte Mittel, da es dadurch zu Effekten der Problemverschiebung komme. Sich im städtischen Raum rücksichtsvoll zu bewegen, verlange von allen Generationen, sich auch in die Perspektiven der anderen hineinversetzen zu können.
Das Phänomen der Jugendsprache
Dr. Nils Bahlo von der Universität Münster referierte über das Phänomen der Jugendsprache. Dass dies kein neues Phänomen sei, zeigte er anhand eines Beispiels aus dem 18. Jahrhundert auf. Er verwies darauf, dass es schon 1910 ein Lexikon über „Pennälersprache“ gegeben habe. Prinzipiell lockere Jugendsprache durch die Lust am Sprachspiel und an der Expressivität Sprache auf. Das grammatikalische Gerüst der Sprache bleibe dabei intakt. Neben dem Wunsch der Jugendlichen, sich von Erwachsenen abzugrenzen, unterstrich er die Bedeutung der Solidarität untereinander. Jugendliche wollten sich zugehörig fühlen und verwendeten eine entsprechende Sprache des jeweiligen Freundeskreises. Auch wenn junge Menschen in der Situation oft nicht darüber nachdächten, ob bestimmte Ausdrücke angemessen seien, könnten diese durchaus mit etwas Abstand darüber reflektieren. Es sei auch die Aufgabe der Älteren nachzufragen, was mit bestimmten Ausdrucksweisen gemeint sei. Ziel sei die Sprachreflexion, in der gesellschaftliche Normen mitverhandelt werden. Das Ziel der Sprachreflexion gelte aber nicht nur für Jugendliche.
Forschungsprojekt „Demografiefeste Kommune“
Prof. Dr. Dieter Kulke präsentierte mit Studierenden Forschungsergebnisse aus dem Stadtteil Sanderau, die im Rahmen des Forschungsprojekts „Demografiefeste Kommune“ erhoben wurden. Er lud dazu ein, die älteren Bürgerinnen und Bürger in ihrem Wissen über die geschichtliche Entwicklung im Stadtteil ernst zu nehmen. Sie könnten dadurch viele Facetten aufzeigen und auch Studierenden, die sich teilweise noch nicht mit ihrer Studienstadt identifizierten, vieles eröffnen.
Klimaschutz – eine Frage der Generation?
Ein weiterer Workshop nahm sich das heiße Eisen Klimaschutz vor: Ist Engagement für Klimaschutz eine Frage der Generation? Das Problem, so die Arbeitsgruppe, sei weniger eine Generationenfrage, als vielmehr das Festhalten an überkommenen Lebensweisen, die auf umweltschädlichen und ungerechten Verhältnissen beharrten. Dieses Festhalten mache sich nicht an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation fest.
Theresia Wintergerst betonte zum Schluss, dass es darum gehe, Vertrauen zu schaffen und Begegnungsräume für unterschiedliche Generationen zu gestalten. Ziel der Tagung sei es, durch Anregungen und Know-how-Vermittlung dieses Vertrauen zu stärken und so die Chancen dieser bereichernden Erfahrung für die Stadtgesellschaft zu eröffnen.
Kontakt: Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt
Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften
Prof. Dr. Theresia Wintergerst
Tiepolostr. 6
97070 Würzburg
theresia.wintergerst[at]thws.de
0931-3511-8926
Text und Bild: Pressemeldung der THWS Würzburg vom 17.03.2023